Beim abendlichen Zappen blieb ich beim SWR hängen, denn das Gespräch in der Talkshow “Nachtcafé” interessierte mich. Eine blonde, selbstbewusst wirkende Frau sprach über ihre schizophrenen Psychosen. Erzählte Episoden ihrer Geschichte, als sie psychotisch war. Manchmal muss sie über sich selber lachen und man lacht gerne – und erleichtert – mit.
Aha, man darf also lachen über die verrückten Geschichten der anderen? Psychotische Episoden in der Schizophrenie sind leider so abstrus, dass man die Betroffenen entweder gerne als bekloppt oder fantasiereich abstempelt. Über die Geschichten, die sie erzählen, muss man oft lachen. Wenn man nicht genau weiß, was ein Wahn wirklich bedeutet und welches Leid dahinter steht.
Die Journalistin Christiane Wirtz spricht offen über ihre Schizophrenie. So offen, dass sie ein Buch darüber veröffentlicht hat: “Ich möchte jetzt das Thema journalistisch und unter Beteiligung einiger Leidtragender und Beobachter anpacken. Ich habe mich dazu entschlossen, aber noch ein wenig Angst. Was wird diese Veröffentlichung für meinen weiteren beruflichen Weg bedeuten? Was, wenn ich wieder meinen Job verliere, was, wenn Personaler mich, wenn ich mich künftig bewerbe, aussondern? Was, was, was…?”
Mit ihrem Buch “Neben der Spur” beweist Christiane Wirtz Mut. Mut, ihre Geschichte zu erzählen, wissend, dass sie auf Unverständnis stoßen kann.
Und Mut, sich für all die psychisch Kranken einzusetzen: “Psychisch Kranke sind nicht der Bodensatz der Gesellschaft, den man aussondern darf.”
Sie schreibt: “Ich hab schmerzlich feststellen müssen, dass eine große Sprachlosigkeit und Scham herrscht, wenn es um Psychosen geht. Viele Menschen haben eine Heidenangst davor. Es ist ein riesiger Unterschied, wie andere mit mir umgehen, je nachdem, ob sie von meiner Erkrankung wissen oder nicht. Dabei sind recht viele von Psychosen direkt oder indirekt betroffen, allein unter Schizophrenie leidet ein Prozent der Bevölkerung weltweit. Besoders kränkend ist es für mich, wenn ich gegen Mauern anrenne; wenn Menschen mich auflaufen lassen, das Gespräch mit mir verweigern – macht ja nichts, ist ja nur so ´ne Bekloppte.”
NEBEN DER SPUR von Christiane Wirtz ist meine Buchempfehlung für diesen Monat. Mit ihrem direkten, unverfänglichen Erzählstil nimmt sie den Leser mit in ihre Welt. Offenbart sich. Schont sich nicht. Sagt klipp und klar, wie die Dinge sind. Danke dafür, Christiane Wirtz!